Wenn der Glaube Worte sucht
Tanja Metz 27.08.2025

Warum fällt es so schwer, über den Glauben zu sprechen? Die Autorin und Religionspädagogin Irene Meyer erklärt, weshalb der Glaube keine besonderen Worte braucht, sondern eigene Erfahrungen.
Es gibt diese stimmungsvollen Sommerabende: Man sitzt mit guten Freunden unter freiem Himmel, der Tag neigt sich dem Ende zu, und man beginnt zu philosophieren. Man möchte erzählen, was einen bewegt, woran man glaubt und worauf man hofft. Doch dann beginnt die Suche nach den passenden Worten und Formulierungen – ausgerechnet da, obwohl man sonst sprachlich keine Mühe hat.
Von Persönlichem sprechen
Man könnte es getreu dem Satz «Was man nicht denken kann, kann man auch nicht sagen» einfach bleiben lassen. Doch Irene Meyer ist überzeugt, dass das nicht möglich ist: «Wir denken ganz viel, weil wir etwas wahrnehmen. Dem verleihen wir auch einen Ausdruck – einfach nicht immer in Worten. Oft geschieht es nonverbal. Über den Glauben zu sprechen, fällt uns schwer, weil wir darin nicht geübt sind.» Wie also lässt sich das Gespräch über den Glauben beginnen? Wie kann man ihn in Worte fassen? Irene Meyer meint dazu: «Ich denke, wir versuchen zu fest, das Thema auf der intellektuellen Ebene zu fassen.» Suchen wir weniger nach grossen, allgemeingültigen Formulierungen und erzählen stattdessen von unseren persönlichen Erfahrungen, wird der Glaube greifbarer und leichter zu vermitteln. «Wenn ich zum Beispiel einen Gottesdienst vorbereite, dann versuche ich zuerst zu hören, was der Text mir sagt. Ich nehme ihn mit in meinen Alltag. Diese Auseinandersetzung ist sehr spannend», erklärt Irene Meyer.
Es geht nicht um die eine Wahrheit
Doch oft fühlen sich die gewählten Worte falsch an. «Der Glaube ist eine Annahme, die wir nicht beweisen können – dazu muss man stehen. Wir wissen auch im Jahr 2025 nicht alles. So sind biblische Texte auch spirituelle und mystische Texte, die sich nicht auf die eine Wahrheit reduzieren lassen. Es geht für jeden immer wieder neu um die Frage: ‘Was hältst du von mir?’», ist Irene Meyer überzeugt. Gerade weil unsere Glaubenserfahrungen immer nur einzelne Facetten von Gott zeigen und von Mensch zu Mensch anders sein können, lohnt es sich, darüber zu sprechen und in den Austausch zu kommen. Damit dies gelingt, ist es wichtig, keine Scheu vor Worten zu haben, die uns vielleicht unzureichend erscheinen. «Der Glaube braucht keine eigene, abgehobene Sprache. Es dürfen Worte verwendet werden, die wir im Alltag benutzen. Wer benutzt zum Beispiel das Wort ‘preisen’? Warum soll es dann bei einem Thema, das uns so berührt wie der Glaube, eine Bedeutung haben?», fragt Irene Meyer.
«Die Dinge, über die wir reden, brauchen Zeit und Raum.»
Tatsächlich haben Glaubensthemen oft mit Geschichten und Erfahrungen von Leid, Angst, Begeisterung – und vielleicht auch Wundern – zu tun. Es ist schade, wenn dabei eine Sprache gesucht wird, die mehr verdeckt als zeigt. Dabei ist es Irene Meyer nicht egal, wie man spricht. Es ist ihr wichtig, «dass wir achtsam sprechen. Die Dinge, über die wir reden, brauchen Zeit und Raum. Wenn man über den Glauben im Gespräch ist, darf es auch Stille geben.»
Einige Tipps, um dem Glauben Worte zu geben von Irene Meyer:
1. Zensur ausschalten – alles darf gesagt werden
Lass die innere Kritikerin oder den inneren Zensor beiseite. Es gibt kein «richtig» oder «falsch», wenn du über deinen Glauben sprichst oder schreibst. Erlaube dir, unvollkommen und ehrlich zu sein.
2. Mit dem Bleistift beten
Das Buch „Beten mit dem Bleistift“ empfiehlt: Schreibe einen Satz auf, der dich anspricht – vielleicht aus einem Psalm, einem Lied oder einer Bibelstelle – und notiere alles, was dir dazu in den Sinn kommt. Ohne Bewertung, ganz frei.
3. Schreib dein eigenes Gebet
Beginne mit einer persönlichen Anrede („Gott“, „Du“, „Vater“, „Freund“) und formuliere deine Gedanken, Bitten oder Dankbarkeit wie in einem Brief. Das direkte Ansprechen eines Gegenübers macht es leichter.
4. Alltagssprache ist erlaubt – und gewünscht
Du brauchst keine religiösen Fachbegriffe. Sprich so, wie du denkst – in deiner eigenen Sprache. Worte, die du im Alltag verwendest, sind meist authentischer.
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