Verschieden und von Gott geliebt
Sylvia Stam 26.10.2025
Jesus war ein Jude aus dem östlichen Mittelmeerraum. Mit ihm lebten normale Männer und Frauen, auch mollige, alte und gebrechliche. Die «Alle-Kinder-Bibel» rüttelt sanft an gängigen Klischeebildern.
War Jesus ein langhaariger, bärtiger Mann mit heller Haut? So jedenfalls wird er hierzulande in vielen Kirchen dargestellt, ebenso seine Gefolgschaft. Diesem europäischen Blick setzt die «Alle-Kinder-Bibel» eine Vielfalt entgegen, die der damaligen Realität im östlichen Mittelmeerraum wohl eher entspricht: Kinder, Erwachsene, sogar Engel haben in dieser «vielfaltssensiblen» Bibel mehrheitlich eine dunkle Haut, sind also Personen «of Color».
Mollige und alte Menschen
Die «Alle-Kinder-Bibel» geht in Sachen Vielfalt noch weiter: Adam und Eva sind als etwas mollige Figuren ge-
zeichnet, in einer Gruppe von Kindern sitzt ein Mädchen, dem ein Fuss fehlt. Sein Gehstock liegt neben ihm am
Boden. Unter den Menschen, die Jesu Bergpredigt lauschen, sind auch grauhaarige, schwangere und gebrech-
liche.
In den Bildern spiegelt sich die theologische Aussage wider, die auch der Auswahl der Geschichten zugrunde liegt: «Alle waren verschieden. Und alle waren besonders. Von Gott ge-
liebt und sehr gut», heisst es in der Geschichte von der Erschaffung der Welt. Die Bibel handle von «Menschen, die gesellschaftlich am Rand stehen, übersehen oder diskriminiert werden», heisst es im Nachwort zum ersten Band. «Gerade diesen Menschen wendet Gott sich mit besonderer Liebe und Aufmerksamkeit zu.»
Weinende Männer
Auf behutsame, unauffällige Art geht die «Alle-Kinder-Bibel» auch mit Geschlechterfragen und -klischees um: Noah, Vater von drei Söhnen, trägt
ein Baby im Arm, als er Gottes Auf-
trag vernimmt, eine Arche zu bauen. Unter den vielen Menschen, die «Jesajas Friedenstraum» illustrieren, sind auch zwei Männer als Liebespaar zu erkennen. Wütende Frauen werden ebenso gezeigt wie weinende Männer.
Gendersensibilität zeigt sich auch in der Sprache: «Gott ist ein*e Gott, die sich um die Schwächsten kümmert», sagt Mose in seiner letzten Rede. Das mag manche irritieren. Beim Vorlesen etwa stolpert man über den Genderstern. Doch genau dies kann Anlass sein, mit Kindern über Gottesbilder ins Gespräch zu kommen.
Identifikationsfiguren
Kinder treten in dieser Bibel als Identifikationsfiguren auf. Hier wird die biblische Vorlage denn auch schon mal erweitert: Bei der Geschichte von der wundersamen Brotvermehrung ist es ein Mädchen, das Jesus die fünf Brote und zwei Fische bringt. Als alle 5000 Menschen satt sind, fühlt es «etwas Vogelleichtes in der Brust. Und Stolz: Ein Kind hatte für 5000 Menschen gesorgt!»
(lllustrationen: Anna Lisicki-Hehn)
Alle-Kinder-Bibel. Neukirchner-Verlag 2023 (Band 1), 2025 (Band 2). Andrea Karimé und Anna Lisicki-Hehn (Illustrationen). Mit Begleitmaterial zum Download. Für Kinder im Vor- und Primarschulalter.
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