Sag das mal auf Deutsch! (Geht nicht.)
Gerda Kaufmann 05.08.2025

Fremde Wörter, vertraute Gefühle: Ein Beitrag über wunderschöne Wörter, die sich nicht übersetzen lassen – entdecken Sie Vertrautes in fremden Ausdrücken.
Manche Sprachen haben Wörter für Gefühle oder Situationen, die wir alle kennen – doch im Deutschen fehlt der passende Ausdruck dafür. Genau solche Begriffe hat unsere Katechetin Gerda Kaufmann in eine kurze Geschichte gepackt:
Da sass ich nun fest – in dieser trostlosen Hütte, vollkommen abgelegen, an einem Ort, an dem wohl schon lange niemand mehr lebte. Der kleine Raum war vollgestopft mit zahllosen, nutzlosen Dingen. Überall lagen Zeitschriften und Bücher, aufgetürmt zu wackeligen Säulen bis unter die Decke. Sie gehörten wohl jemandem, der einen starken Hang zu Tsundoku hat. Draussen herrschte echtes Gluggavedur. Ich beschloss: Sollte das Wetter am nächsten Tag freundlicher sein, wollte ich mich wieder einmal meiner liebsten Tätigkeit widmen – dem Gökotta. In der kühlen Morgenluft machte ich mich dann tatsächlich auf den Weg hinunter zum nahegelegenen See. Am Ufer blieb ich fasziniert stehen: Ein solch wundersames Mångata hatte ich noch nie gesehen. Eine geheimnisvolle Ruhe lag über dieser mir unbekannten Landschaft. Ich hielt still und genoss den Keyif, den das Leben so selten schenkt.
Da knackte es im Geäst hinter mir. Ich fuhr zusammen und drehte mich erschrocken um. Ein Mann stand da, sah mir mit einem freundlichen Lächeln direkt in die Augen. Ein Gefühl durchströmte mich, schwer zu benennen, aber tief: Azart. Als würden wir uns schon lange kennen, begannen wir über alles Mögliche zu reden. Als er mich fragte, ob ich Lust auf einen Uteplis hätte, stotterte ich – warum auch immer – es sei wohl Zeit, zurückzukehren. Vielleicht ein andermal. Dabei hätte ich so gern noch länger mit ihm geredet, über Gott und die Welt, über das Wesentliche. Hätte ich doch nur ein wenig l’esprit de l’escalier besessen – ich wäre nicht ohne Handynummer und ohne Hoffnung auf ein Wiedersehen gegangen.
Stunden später sass ich, nachdenklich, aber zufrieden, im Zug Richtung Sursee. Ist es göttliche Fügung – oder einfach der Lauf der Dinge –, der Menschen auf so wundersame Weise zusammenführt? Was auch immer es ist: Solche Begegnungen sind kostbar. Denn Retrouvailles wie diese sind selten – vielleicht die seltensten Geschenke des Lebens.
Gerda Kaufmann
Und das bedeuten die Begriffe:
Tsundoku (japanisch):
Ein Wort für das Phänomen, Bücher zu kaufen, die man dann ungelesen zuhause stapelt.
Gluggavedur (isländisch):
Wörtlich übersetzt heisst es «Fensterwetter» – gemeint ist damit jenes Wetter, das von drinnen herrlich aussieht, aber draussen viel zu ungemütlich ist.
Gökotta (schwedisch):
Wort für das Vorhaben, frühmorgens aufzustehen, nach draussen zu gehen und die Natur zu geniessen – während die ersten Vögel den neuen Tag begrüssen.
Mångata (schwedisch):
«Mondweg» – so lautet die wörtliche Übersetzung. Gemeint ist der silberne Lichtstreifen, den der Mond auf der Wasseroberfläche hinterlässt und der aussieht wie ein Weg aus Licht.
Keyif (türkisch):
Ein Wort für einen glücklichen, unbeschwerten Moment, in dem alle Sorgen kurz verschwinden.
Azart (russisch):
Starke, nicht selten unkontrollierbare Begeisterung und Hingabe für eine Sache.
Utepils (norwegisch):
Begriff für ein Bier, das man draussen im Freien trinkt.
L’esprit de l’escalier (französisch):
Es ist der Name für einen geistreichen Gedanken, der einem erst im Nachhinein einfällt, wenn es schon zu spät ist, ihn zu äussern.
Retrouvailles (französisch):
Wiedersehen, bei dem sich Menschen im grösseren Sinne wiederentdecken.
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