Rohre und Leitungen
Mariann Bühler 29.08.2025

Was das Centre Pompidou mit Schneidbrettern, Küchenmagie und dem Innenleben von Veranstaltungen zu tun hat.
Morgen früh steige ich in einen Zug in Richtung Paris. Ich bleibe diesmal nicht in dieser grossen Stadt, reise weiter. Meine Gedanken sind dennoch am Centre George Pompidou hängen geblieben. Vielleicht haben sie das Gebäude oder ein Bild davon schon einmal gesehen: Es sieht aus, als würde es aus lauter bunten Röhren und einigen Scheiben bestehen, etwas unübersichtlich und unfertig. Im Gebäude ist ein Museum, eine Bibliothek, ein Restaurant und einiges mehr untergebracht – normalerweise, denn zurzeit ist es für Renovationen geschlossen.
Manche Leute finden das Gebäude potthässlich – ich mag es, weil nach aussen gekehrt ist, was sonst lieber versteckt wird: Leitungen, Lüftungsrohre, Kabelschächte. Ich blicke gerne in das Innenleben der Dinge hinein, versuche zu verstehen, wie etwas funktioniert, wie die einzelnen Teile ineinandergreifen.
Über Schneidbretter hinweg
Als Veranstalterin habe ich auch mit weniger sichtbarem Innenleben zu tun: Mit der Arbeit, die vor einem Anlass im Hintergrund geschieht, wie Menschen – im besten Fall – Hand in Hand arbeiten. Manchmal gelingt es, manchmal nicht – und die Gründe sind vielfältig. Immer aber «menschelets», immer ist viel Beziehungsarbeit involviert. Es geht um Wertschätzung, um Toleranz, um Geduld und Umsicht. Es geht um Erfahrung und Wissen und wie beides geteilt und weitergegeben wird. Es geht um Raum und Zeit. Wenn ich gestresst bin, wiegt ein Missverständnis auf einmal schwer, das in einer anderen Situation mit einer Handbewegung weggeräumt werden könnte.
Kürzlich war ich Teil eines kleinen Festivals, wo im Küchenteam die beste Stimmung herrschte. Ich war selbst nicht dort eingeteilt, musste aber gelegentlich im gleichen Raum Dinge holen für meine Arbeit – oder in einer Pause einfach einen Kaffee. Jedes Mal hatte ich Lust, zu bleiben: Da wurde geschnippelt und geröstet und gerührt und getanzt, es lief Musik, es fanden Gespräche an Schneidbrettern statt. Eine Atmosphäre von entspanntem und doch fleissigem Engagement lag in diesem Raum. Und das Essen, das aus dieser Küche kam, war phänomenal. Zwar betonte die Küchenchefin immer mal wieder, dass sie herzlich wenig Erfahrung habe im Kochen in dieser Grössenordnung – das Essen sagte das Gegenteil: Das Team hat hinter den Kulisse gezaubert, und den Zauber konnte man schmecken.
Der Zauber der Zusammenarbeit
Ich kann es nicht abschliessend erklären, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass sich die «Hintergrundgeräusche» hinter den Kulissen auf Veranstaltungen auswirken. Die gute Stimmung in der Küche legt sich wie ein Wetter auf den Anlass, auch eine Arbeitssituation, vielleicht eine ganze Ortschaft, eine Landschaft. Als Veranstalterin frage ich mich immer wieder, ob sich das Gelingen planen lässt. Planen, würde ich behaupten, vielleicht nicht. Aber man kann dafür sorgen – und Sorge tragen – dass die Voraussetzungen gegeben sind. Dass Zeit und Raum da sind, in denen Gutes entstehen kann. Dabei dürfen die Rohre und Leitungen sichtbar bleiben, damit die geleistete Arbeit gewürdigt werden kann.
Übrigens macht gerade das äusserliche Durcheinander das Centre Pompidou besonders flexibel: Weil die Technik nach aussen verlegt wurde, lässt sich der Innenraum immer wieder neu einteilen und gestalten – je nachdem, was darin Platz finden soll.
Mariann Bühler ist Autorin und Literaturvermittlerin. Sie schreibt 2025 als Gastautorin für das Pfarreiblatt Sursee.
Foto: CC0 Adora Goodenough/unsplash
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