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Machen wir genug gemeinsam?

Sylvia Stam 29.01.2025

Ende Januar findet jeweils die Gebetswoche für die Einheit der Christ*innen statt. Wie ist es um die Ökumene im Kanton Luzern bestellt? Wir haben in Pastoralräumen nachgefragt.

Ökumene ist wichtig im Kanton Luzern. Das finden die meisten der zehn katholischen und die eine reformierte Leitungsperson, die die Umfrage des Pfarreiblatts ausgefüllt haben. Sie verstehen darunter «gemeinsames Leben und Handeln», sagt etwa Urs Corradini, Leiter des PR Oberes Entlebuch; «Verbindendes suchen und Unterschiede respektieren», so Roland Bucher, Leiter des PR Surental; «Engagement über Konfessionsgrenzen hinweg für das Evangelium», meint Verena Sollberger, reformierte Pfarrerin in Luzern. 
Tatsächlich gibt es in Stadt und Land zahlreiche ökumenische Projekte: gemeinsame Suppentage in der Fastenzeit, Wegkreuzfeiern, Segnungen im öffentlichen Raum, Kanzeltausch, Theatergottesdienste, soziale Angebote wie Besuchsdienste, Sterbebegleitgruppen, Mittagstische, Anlaufstellen für Migrant:innen. Mehrfach erwähnt werden ökumenische Gottesdienste anlässlich der Gebetswoche für die Einheit der Christ:innen, zum Weltgebetstag der Frauen und am Bettag. Auch die ökumenische Fastenkampagne findet grossen Widerhall. Knackpunkte wie das Papstamt oder das Abendmahlverständnis, welche die theologische Diskussion um die Ökumene prägen, stehen an der Basis offensichtlich nicht im Vordergrund. «Für über 90 Prozent der Leute ist Ökumene etwas Selbstverständliches», bringt es Markus Müller, Leiter des PR Mittleres Wiggertal, auf den Punkt.

Leben statt Verwalten
Die Antworten freuen auch Nicola Ottiger, Leiterin des Ökumenischen Instituts an der Universität Luzern. «Die Selbstverständlichkeit, mit der Ökumene als wichtig bezeichnet wird, ist wunderbar. Das ist bemerkenswert in einer traditionell katholischen Gegend, wo es deutlich mehr Katholik:innen als Reformierte gibt.» Dennoch stellt sie auch eine gewisse Diskrepanz fest. Ökumene werde einerseits als wesentlich und normal angesehen, gleichwohl beschränke sich die gelebte Praxis aber oft auf wenige Gottesdienste und die gemeinsame Fastenaktion. «Es besteht die Gefahr, die Ökumene an solche Projekte zu delegieren und sie insgesamt eher zu verwalten, statt sie zu leben. Auch, weil innerkirchliche Herausforderungen belasten», sagt Ottiger. «Aus theologischer Perspektive reicht es aber nicht aus, wenn wir uns an die Getrenntheit der Christ:innen gewöhnt haben und uns auf ein Minimum an ökumenischer Zusammenarbeit beschränken. Denn das Getrenntsein widerspricht dem Willen Christi.» Hintergrund dieser Aussage ist das Gebet Jesu im Johannesevangelium (17,21): «Sie sollen eins sein, damit die Welt glaubt, dass du mich gesandt hast.»

Ressourcen und Strukturen
Den Pastoralraumleitenden im Kanton Luzern ist dies durchaus bewusst. «Ökumene ist eine Haltung», sagt etwa Anna Engel, Leiterin des PR Luzerner Hinterland. Sieben von zehn Pastoralraumleitenden würden denn auch gerne mehr ökumenische Projekte durchführen. Doch das scheitert oftmals an den personellen Ressourcen, wie mehrere angeben, und an den ungleichen strukturellen Verhältnissen: «Die reformierte Kirchgemeinde Wolhusen ist sehr klein und umfasst insgesamt neun politische Gemeinden», sagt Adrian Wicki, Leiter des PR Region Werthenstein. «Un-ser PR ist nicht deckungsgleich mit der reformierten Kirchgemeinde», sagt Andreas Barna, leitender Priester des PR Mittleres Wiggertal. 
Sehr deutlich zeigt sich dies bei der Frage nach ökumenischem Religionsunterricht, der laut Umfrage einzig in Kriens punktuell stattfindet. Andernorts besuchen vereinzelt reformierte oder orthodoxe Kinder den katholischen Unterricht. Alle andern machen strukturelle Hindernisse geltend: «Weil die pastoralen Einheiten und die Mitgliederzahlen extrem ungleich gross sind», sagt Andreas Graf, Leiter des PR Hürntal; im Oberen Entlebuch gibt es «viel zu wenig Reformierte», begründet Urs Corradini. An anderen Orten findet der katholische Religionsunterricht im Rahmen der Schule statt, der reformierte jedoch nicht. 
Was also tun, wenn Ökumene zwar als wichtig angesehen wird, jedoch an personellen Ressourcen und Strukturen scheitert? Bernhard Waldmüller, Leiter des PR Kriens, hält fest: «Wichtiger, als immer neue Projekte aufzugleisen, ist es, Dinge von Anfang an miteinander zu planen. Es ist ein Luxus, dass wir vieles immer noch parallel anbieten.» Tatsächlich sieht gut die Hälfte der Befragten in der zunehmenden Säkularisierung durchaus eine Chance für die Ökumene. «Ich sehe keine andere Zukunft», sagt Andreas Barna. Die Kirchen würden dadurch eher als Ganzes wahrgenommen, sagt Thomas Lang, Leiter des PR Stadt Luzern. Dennoch sei der Leidensdruck wohl noch zu gering, um mehr zusammenzuspannen, wie Bernhard Waldmüller festhält.

Der Stachel muss bleiben
Nicola Ottiger hat grosses Verständnis für die knappen Ressourcen. «Doch der Stachel muss bleiben», sagt sie und regt an, sich immer wieder zu fragen: «Warum machen wir nicht mehr ökumenisch?» Gerade in den zentralen gemeinsamen Feiern Weihnachten, Ostern und Pfingsten erkennt sie eine Aufforderung, den Glauben gemeinsam zu bekennen und zu feiern. Das wäre niederschwellig möglich: «Es gibt beispielsweise Arbeitshilfen für ökumenische Gottesdienste rund um das Pfingstfest, die sich an Pfingstnovenen oder -vespern orientieren.» Auch die Passionszeit oder der Ostermontag würden sich anbieten. Ansätze dazu gibt es bereits: Die Stadt Luzern kennt den ökumenischen Kreuzweg, das Luzerner Hinterland eine ökumenische Osterfrühfeier, das Obere Entlebuch eine offene Weihnacht. Hier weiterzudenken, wäre ganz im Sinne der Ökumenischen Charta, welche die christlichen Kirchen Europas 2001 unterzeichnet haben: «Wir verpflichten uns, auf allen Ebenen des kirchlichen Lebens gemeinsam zu handeln, wo die Voraussetzungen dafür gegeben sind.»


 

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