Kirche hier, Kirche dort
Aufzeichnung: Rebekka Dahinden 22.07.2025

Wie ist es, wenn man zwischen zwei Kirchenkulturen aufwächst? Eine junge Frau, in der Schweiz geboren, mit Wurzeln in Kroatien, erzählt, wie sie die kroatische Mission erlebt.
«Meine Eltern kommen aus Kroatien, aber ich bin hier in der Schweiz geboren und aufgewachsen. Ich kenne deshalb beide Kirchen – die kroatische Mission und die Kirche, wie sie hier in der Schweiz gelebt wird. Die kroatische Gemeinde in meiner Region ist eher klein, aber bei uns ist klar: In der Mission steht der Pfarrer im Mittelpunkt. Nicht der Kirchenmusiker, nicht die Katechetin – von der Taufe bis zur Beerdigung ist der Pfarrer die zentrale Person, weil es keine anderen vollamtlichen Personen gibt. Natürlich gibt es auch Freiwillige wie der Pfarreirat, die gelegentlich mithelfen, aber vieles hängt vom Priester ab. Das ist in der Schweiz ganz anders: Hier übernehmen viele Freiwillige Aufgaben, und der Pfarrer muss nicht überall dabei sein.
In der kroatischen Mission stehen vor allem der Sonntagsgottesdienst und die Sakramente im Vordergrund. Es gibt vereinzelt gemeinschaftsfördernde Angebote, welche in den grösseren Städten stattfinden. Ich arbeite selbst in einer Schweizer Pfarrei und sehe deshalb, wie Kirche auch anders gestaltet sein kann. Trotzdem – viele in der kroatischen Gemeinde sind sehr gläubig. Sie beten unter der Woche, schauen sich religiöse Inhalte an, setzen sich mit dem Glauben auseinander.
Gewisse Rituale spielen bei der kroatischen Kirche eine grössere Rolle als bei uns. Zum Beispiel die Marienverehrung – das ist in Kroatien ein riesiges Fest. Wenn ich dort bin, erlebe ich aufwendige Prozessionen, Gottesdienste und Feiern. Klar, auch in der Schweiz wird Maria verehrt, aber in Kroatien ist das next level. Auch die Sakramente spielen eine zentrale Rolle, besonders die Beichte. Man hört oft: ‹Geh beichten – das gehört dazu.› Das sehe ich persönlich nicht nur positiv.
Für viele Kroatinnen und Kroaten ist die Mission ein Stück Heimat. Viele sind vor 30 oder 40 Jahren in die Schweiz gekommen. Sie schätzen, dass sie im Gottesdienst jedes Wort verstehen, dass man sich kennt, sich austauschen kann. Wenn ich in die kroatische Messe gehe, sehe ich viele Familien, auch Kinder, was mich sehr freut. Für sie gehört der Kirchenbesuch einfach dazu. Die Kinder kommen gerne mit, auch wenn es für sie nichts Spezielles gibt. In der Schweizer Kirche versuchen wir, ein breites Angebot zu machen, auf alle einzugehen. Wir fragen: Wo steht der Mensch im Leben? Was braucht er oder sie gerade? Wir bieten Einiges für Kinder und junge Erwachsene – und trotzdem kommen sie selten.
«Natürlich gibt es auch Freiwillige, die gelegentlich mithelfen, aber vieles hängt vom Priester ab.»
In der kroatischen Gemeinde gehören Glaube und Nationalität zusammen, für viele ist das eins. Religiöse Bräuche und Traditionen werden oft einfach übernommen, weil man mit ihnen aufgewachsen ist, sie kennt und schätzt. In Kroatien spüre ich das besonders stark. Der Glaube gibt den Menschen Halt und Sicherheit. Sie setzen sich mit dem christlichen Glauben auseinander, wachsen damit auf. Viele sind stolz darauf, katholisch zu sein.
In der Schweiz muss man sich manchmal rechtfertigen, wenn man für die Kirche arbeitet. ‹Was, du arbeitest bei der Kirche?› Das höre ich ab und an. In Kroatien ist das eher umgekehrt – da wird man komisch angeschaut, wenn man mit Kirche nichts zu tun haben will. Aber natürlich ist die Säkularisierung auch dort angekommen, vor allem in den Grossstädten von Kroatien trifft man Menschen, die nichts mit Kirche zu tun haben möchten.
«Wenn ich in die kroatische Messe gehe, sehe ich viele Familien, auch Kinder, was mich freut.»
Nicht selten hört man das Vorurteil, die Missionen seien gerne für sich und wenig offen für Zusammenarbeit. Die Kinder besuchen zwar unseren Religionsunterricht, feiern dann aber ihre Erstkommunion oder Firmung in der Mission. Hinter vorgehaltener Hand heisst es dann manchmal, unser Unterricht sei nicht streng genug. Aber wir arbeiten eben anders – uns ist wichtig, den Glauben lebensnah zu vermitteln und die Menschen herauszufordern. Dass das oft gegeneinander ausgespielt wird – ‹zu locker› gegen ‹zu streng› – finde ich schade. Es sollte ein Miteinander sein.
Für mich persönlich ist klar: Ich fühle mich mit der Schweizer Kirche mehr verbunden. Wir gingen als Familie zwar immer in die kroatische Kirche, aber ich ministrierte in der Pfarrei, hatte hier meine Freunde, mir gefielen die Angebote – das alles konnte mir die kroatische Mission nicht bieten. Dazu kommt: In der Liturgie sieht man auch, welche theologische Vorstellung dahintersteht. Als Fachperson stören mich da gewisse Dinge. Zum Beispiel die Rolle der Frau oder das priesterzentrierte Kirchenbild.»
Aufgezeichnet von Rebekka Dahinden
(CC0 Grgur Vuckov/unsplash.com)
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