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«Jedes Leben hat seinen Wert – das soll sichtbar werden.»

Rebekka Dahinden 30.10.2025

Traurig oder schön – wie ist es, eine Beerdigung zu gestalten? Kaplan Stephan Stadler aus Sursee erzählt, was diese Aufgabe für ihn bedeutet und warum sie manchmal auch zur Herausforderung wird.

Eine Beerdigung gestalten – eine traurige oder schöne Aufgabe?

Es mag ungewöhnlich klingen, aber für mich ist es eine schöne und sehr verantwortungsvolle Aufgabe. Oft kennt man die verstorbene Person ja nicht – man hört den Angehörigen zu, spürt nach, was diesen Menschen ausgemacht hat. Es geht nicht um den Lebenslauf, sondern um das, was in Erinnerung bleibt: Bilder, Gefühle, Momente. Wenn im Gottesdienst dann für die Angehörigen sogar ein erstes Schmunzeln möglich ist – trotz der Trauer –, dann ist etwas Wertvolles gelungen. Das meine ich mit dem Verantwortungsvollen: dem nachzuspüren, damit Passendes zum Tragen kommt. Wenn das gelingt, ist es grossartig.

 

Was ist dir dabei wichtig?

Mir ist besonders wichtig, was die Angehörigen über das Leben der verstorbenen Person erzählen – ihr Blick aufs Leben. Dafür möchte ich Raum schaffen. Ich frage mich: Welche Texte, welches Evangelium, welcher Gedanke oder welches Gedicht passt? Was trägt das Erinnern?

Bei einer Beerdigung habe ich einmal das Gedicht «Auferstehn´ wirst du» von Klopstock gewählt. Dieses wurde von Gustav Mahler in seiner 2. Symphonie vertont. Die verstorbene Frau war Sängerin – gut möglich, dass sie es selbst einmal gesungen hat. Die Angehörigen haben dazu eine Urne in Herzform ausgesucht. Das wusste ich vorher nicht. Aber genau das war wieder so ein richtig schönes Zusammenspiel.

 

 

Jeder Mensch hat die gleiche Würde – und damit das Recht auf eine würdige Beerdigung.

 

 

Was wünschst du dir im Umgang mit Tod und Trauer?

Dass man sich schon zu Lebzeiten Gedanken macht, wie der eigene Abschied aussehen soll. Und gleichzeitig wünsche ich mir Offenheit für die Bedürfnisse der Angehörigen – dass auch sie sich einbringen können. Es braucht Raum für diese Wünsche und Erinnerungen. Tod und Trauer dürfen nicht an den Rand gedrängt werden.

Ich habe immer eine Mappe mit drei Bildern aus einem Kinderbuch dabei: «Abschied von der kleinen Raupe». Mit diesen Bildern wende ich mich an die Kinder und erkläre ihnen damit, was mit dem Tod und unserer Hoffnung auf Auferstehung gemeint ist. Meist ist es eine Urnenbestattung. Dann sage ich: Die Urne ist wie diese kalte, harte, leblose Hülle der Raupe – aber die Kinder wissen: Aus der Hülle kommt ein Schmetterling. Oma und Opa sind keine Schmetterlinge – aber das, was einen Menschen ausmacht, seine Farbigkeit, seine Einzigartigkeit, das ist bei Gott geborgen. Es geht – wie beim Schmetterling – ins Blau des Horizonts. Kinder sollen mit ihrer Trauer ihren Platz haben. Sie sollen vorkommen.

 

Wie reagieren die Kinder?

Die Kinder verstehen das Bild von Liebe und Geborgenheit bei Gott. Auch die Eltern und Grosseltern schätzen dieses Bild sehr.

 

Was hilft dir bei der Vorbereitung?

Ich habe meine Beerdigungsmappe – darin finden sich verschiedene biblische Texte, zum Beispiel aus Kohelet, aber auch Gebete, Gedichte und Texte wie «Abschied vom kleinen Prinzen». Das hilft mir, individuell auf Wünsche und Persönlichkeiten einzugehen.

Allgemein ist mir Stimmigkeit wichtig. Wenn ich eine Urne beisetze, singe ich immer einen Psalm dazu, damit das Ganze nicht in Leere geschieht. Meist ist es Psalm 121: «Meine Augen schauen allezeit zum Herrn», weil er mit einem Segenswunsch endet. Und ich gebe die Erde immer von Hand auf die Urne – nicht mit der Schaufel. Das ist für mich persönlicher.

Ich verstehe meine Aufgabe als Begleiten. Ich laufe nicht vor der Urne und auch nicht hinter ihr, sondern neben ihr – ich begleite. Und das möchte ich auch mit meinen Gesten ausdrücken. Das sind alles Dinge, die mir wichtig sind.

 

 

Tod und Trauer dürfen nicht an den Rand gedrängt werden.

 

 

Du bereitest die Beerdigungen mit grosser Sorgfalt vor, Schritt für Schritt. Das sagt auch viel über deine Haltung aus.

Jedes Leben hat seinen Wert. Und das soll auch sichtbar werden. Ich hatte schon zwei Beerdigungen, bei denen keine Angehörigen anwesend waren. Was macht man dann? Es ist nicht einfach, mit wenigen oder keinen Informationen eine würdige Feier zu gestalten.

Das sind die Momente, die wirklich herausfordern: Wie werde ich dem Leben, dem Menschen gerecht? Denn jeder Mensch hat die gleiche Würde – und damit das Recht auf eine würdige Beerdigung.

 

 

Buchtipp: «Abschied von der kleinen Raupe», Heike Saalfrank und Eva Goede, Würzburg 2021.

 

Wer sich über persönliche Erfahrungen und Fragen um Verlust, Trauer und Tod austauschen möchte, ist beim Trauercafé herzlich willkommen.

 

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