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Einsamkeit, ein Teufelskreis

Tanja Metz 07.10.2025

Sozialarbeiterin Martina Helfenstein erklärt, ab wann Einsamkeit problematisch wird und welche Möglichkeiten Betroffene haben, aus der Isolation herauszufinden.

Stell dir vor, du bist von Menschen umgeben – beim Einkaufen, im Büro, in der Bahn – und fühlst dich trotzdem unsichtbar. Einsamkeit kann sich trotz vieler Menschen in den Alltag schleichen. Das wird dann zum Problem, wenn es nicht selbst gewählt ist, meint die Sozialarbeiterin Martina Helfenstein. «Alleinsein kann wohltuend sein, wenn man es bewusst wählt – etwa bei einem Spaziergang am See oder einer Pause im Café. Problematisch wird es, wenn man nicht selbst gewählt allein ist. Zunächst hält man das vielleicht aus, aber irgendwann kippt es. Wann dieser Punkt erreicht ist, ist sehr individuell.» Ab diesem Moment wird es für viele Betroffene schwierig. Gedanken kreisen unaufhörlich, das Gefühl von Zugehörigkeit schwindet – und mit ihm oft auch die Motivation, Kontakte zu knüpfen. «Je länger man allein ist, desto schwieriger wird es, Abstand zu den eigenen Gedanken zu gewinnen», erklärt Helfenstein. «Man verliert nicht nur den emotionalen Austausch, sondern auch praktische Unterstützung.»
 

Schritt für Schritt Kontakte knüpfen
Heute fühlt sich etwa ein Drittel der Bevölkerung mindestens gelegentlich einsam (Keystone-SDA). Dieser Mangel an Kontakt und Beziehungen führt nicht selten zu einem Teufelskreis: Einsamkeit zieht Rückzug nach sich, der Rückzug verstärkt die Einsamkeit. «Der erste Schritt heraus ist, sich selbst einzugestehen: Ich bin einsam – und das tut mir nicht gut. Erst dann kann Veränderung beginnen», sagt Martina Helfenstein. Sie empfiehlt, klein anzufangen: «Auf Menschen zuzugehen, das muss man üben. Es ist gut mit kleinen Schritten zu beginnen. Dann ist es eben nicht gleich der Beitritt in einen Chor, sondern ein Gespräch im Treppenhaus oder beim Einkaufen. Das kann ein Anfang sein, um wieder in Übung zu kommen und sich Schritt für Schritt weiter vorzuwagen.»
 

Hilfe suchen und annehmen
Wenn sich bereits psychische Erkrankungen wie Depressionen oder Angststörungen entwickelt haben, wird der Weg aus der Einsamkeit schwieriger. «Dann ist es wichtig, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen: den Hausarzt ansprechen, einen Termin bei einer Psychologin vereinbaren oder eine Sozialberatungsstelle aufsuchen. Auch unsere Pfarrei bietet Unterstützung. Man kann zu uns in die Beratung kommen. Ausserdem bietet die Pfarrei niederschwellige Angebote, um wieder in Kontakt zu kommen Ein solches Angebot ist der Treffpunkt Café am Freitagmorgen: Jeder kann spontan vorbeikommen, ohne Anmeldung. Oder das Projekt Tandem, bei dem Menschen in Kontakt gebracht werden.»
 

Alle sind gefordert
Bei sozialen Kontakten zählt jedoch nicht nur die Quantität, sondern vor allem die Qualität. «Von einer Frau aus Syrien weiss ich, dass sie zum Frauenstammtisch im Quartier eingeladen wurde. Sie hat diese Einladung angenommen und wurde über die Zeit zu einem wichtigen Teil der Gruppe. Sie fühlt sich zugehörig, doch das braucht Zeit und Geduld», meint Martina Helfenstein. Oft beginnt es mit einem losen Kontakt, der sich langsam vertieft, erst dann kann echte Zugehörigkeit entstehen. Weiter sagt Martina Helfenstein: «Es genügt nicht, dass man als einsame Person zu einem Treffen geht. Die andere Seite muss auch offen sein für neue Leute. Ich finde, das ist ein Auftrag an uns als Kirche, Gesellschaft und als Einzelne: offen zu sein für neue Menschen und auch Unbekannte einzubeziehen.»

 

Hier geht es zum Angebot der Sozialen Arbeit der Kirchen.

 

Bild: CC0, Jan Antonin Kolar, unsplash.com
 

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