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Versucht von Macht, Besitz und Ansehen

Niklaus Kuster 27.02.2024

Die Heilige Schrift erzählt von Versuchungen, die wir heute überall finden: In der Wirtschaft, in der Politik und im ganz normalen Leben.

Jahr für Jahr erinnern Palmsonntag und Karfreitag an ein Drama der Weltgeschichte, in dem Macht stärker zu sein scheint als Menschlichkeit, Hass stärker als Liebe und Gewalt stärker als Friedfertigkeit. Jesu Wirken beginnt mit drei Versuchungen und sein irdisches Leben wird durch Menschen beendet, die diesen Versuchungen erliegen.


Versucht, auch heute

Die Versuchungen, denen Jesus nach seiner Taufe am Jordan widersteht (Mt 4,1-11), haben mit Besitz, Macht und Ansehen zu tun. Vierzig Fastentage in der Wüste haben den Neugetauften hungrig gemacht. Der Versucher rät ihm, Steine in Brot zu verwandeln. Jesus erwidert, dass der Mensch nicht «vom Brot allein lebt» Er widersteht der Versuchung, anders als Unternehmer*innen der modernen Wirtschaft, die nicht davor zurückschrecken, die Erde auszubeuten und die Artenvielfalt zu zerstören, mit Rohstoffgewinnung ganze Regionen zu verseuchen oder mit touristischen Grossprojekten unberührte Landschaften zu verunstalten.

Der Rabbi aus Nazaret erinnert daran, dass niemand Gott und dem Mammon dienen kann. Der Versucher bietet Jesus Macht über alle Länder der Erde an, wenn er sich ihm unterordne. Die aktuellen Kriege, die am Schwarzen Meer, am Roten Meer und am Mittelmeer Europa auch direkt betreffen, sind die Folge skrupelloser Machtpolitik. Russland will durch Eroberungskriege zu alter Grösse zurück, die Hamas ruft nach einem Palästina «vom Fluss bis zum Meer» und ultraorthodoxe Parteien in Israels Regierung träumen von der Vertreibung von Millionen Palästinensern, um den biblischen Traum von einem rein jüdischen Staat «von Dan bis Beerscheba» durchzusetzen. Jesu dritte Versuchung liegt im Ansehen: Seine Würde als Gottes Sohn würde die Engel zwingen, ihm beim Sturz von der Tempelzinne aufzufangen. People-Medien sind voll von Menschen, die alles tun, um als die Schönsten, Besten und Erfolgreichsten zu erscheinen. Viele von ihnen stürzen in die Krise, wenn die Likes und das Scheinwerferlicht schwinden.

Liebe ist stärker als Hass

In der Passionsgeschichte begegnen wir diesen Versuchungen aufs Neue. Der Hohepriester Kaiaphas fürchtet um die Macht des Hohen Rates. Er will «einen einzigen Menschen» opfern, um das Volk zu retten. Tatsächlich verunglimpft er Jesus als Rebellen gegen die Römer, um die Privilegierten im Tempelstaat, ihren Einfluss und ihre Theologie zu retten. Der Statthalter Pilatus fürchtet um sein Ansehen in Rom: Wenn er den Rebellen nicht hinrichtet und Kaiser Tiberius es erfährt, könnte er die Gunst und seinen Job verlieren. Petrus verrät die Freundschaft zu Jesus, weil er fürchtet, mit verhaftet zu werden. In Judas vermuten einige einen Zeloten, der Jesus als politischen Messias betrachtet und ihn zum Aufstand drängen will: Durch die Auslieferung an den Rat würde er seine Macht zeigen. Jesus ringt in Getsemani mit der Versuchung wegzulaufen. Indem er es nicht tut, geht er seinen Feinden ins Netz. Doch sein Abba ihm Himmel zeigt durch die Auferstehung: Friedfertigkeit ist stärker als Gewalt, Menschlichkeit ist stärker als Macht und Liebe ist stärker als Hass.

Niklaus Kuster

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