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«Worum geht es mir wirklich?» – wie Konfliktlösung gelingt

Rebekka Felder 13.09.2024

Mediator*innen sorgen nicht nur dafür, dass Konfliktparteien wieder aufeinander zugehen können. Mit ihrer Unterstützung sollen die Beteiligten auch wieder mehr zu sich selbst finden.

«Ich streite nicht, ich versuche nur zu erklären, warum ich Recht habe.» Dieser humorvoll-überspitzte Spruch ist nur einer von vielen Zitaten, die das Besprechungszimmer von Thomas Flucher zieren. Sie lassen durchblicken, womit sich der Mediator und Supervisor tagtäglich beschäftigt: Mit Konflikten, Kommunikationsproblemen, Missverständnissen und starken Emotionen. Im Gespräch mit dem Pfarrei- blatt Sursee erzählt er von den Chancen, Grenzen und Herausforderungen seiner Tätigkeit als mediativer Berater.


Herr Flucher, Sie begleiten Menschen durch Konflikte und führen in verfahrenen Situationen Mediationen durch. Wo wird Ihre Unterstützung zurzeit am meisten gebraucht?

Grundsätzlich ist die Unterstützung von uns Mediator*innen in verschiedenen Bereichen gefragt: Zum einen werden wir bei Problemen am Arbeitsplatz – bei Konflikten in Teams, Firmen, Organisationen, Verwaltungen – beigezogen. Zum anderen bieten wir aber auch im privaten Bereich bei Familienkonflikten unsere Unterstützung an: Etwa bei Auseinandersetzungen zwischen Eltern und Kindern, unter Geschwistern oder Verwandten. Dabei geht es oft um Themen wie das Sorgerecht, Erbverteilung, Geld oder unerfüllte Erwartungen. Ein besonderes Konfliktpotential bergen vor allem jene Situationen, in der berufliche und private Angelegenheiten aufeinandertreffen, wie z.B. bei Nachfolgeregelungen von Unternehmen innerhalb der Familie.


Die Hauptbewegung der Mediation ist jene zurück zu sich selbst.


Sie haben durch Ihre Arbeit Einblick in die unterschiedlichsten Lebensbereiche. Was sind die häufigsten Gründe, weshalb Menschen in Konflikt geraten?

Anerkennung, Wertschätzung und empfundene Ungerechtigkeit, Ärger durch unterschiedliches Kommunizieren und Arbeitsverteilung in Teams. Beispielsweise in der Familie: Wer trägt was zum Familienwohl bei? Wird meine Arbeit gesehen, wird sie geschätzt? Die Pflege der betagten Eltern ist ein gutes Beispiel dafür. Im Arbeitsbereich sind oft Missverständnisse, Zeitdruck und fehlende Ressourcen Katalysatoren, dass Konflikte eskalieren. Oft ist dabei das Problem, dass sich schwierige Gefühle aufstauen und die Betroffenen Mühe haben, untereinander in einer Weise zu kommunizieren, die eine frühzeitige Lösungssuche zulässt. Diese mangelnde Verständigung führt dazu, dass sich die Situation so zuspitzt, dass eine Mediation nötig wird.


Die Faktoren Kommunikation und Zeit scheinen eine grosse Rolle zu spielen.

In der Tat. Die Frage ist: Kann ich meine Empfindungen und Bedürfnisse noch in einem Moment kommunizieren, in denen ich sie selbstbewusst, freundlich und angemessen ansprechen kann? Oder tue ich es erst dann, wenn sich viel Wut aufgestaut hat? Dann kommen Aussagen oft zu einem ungünstigen Zeitpunkt und in impulsiver, unangebrachter Weise. In solchen Momenten werden Sachfragen und Gefühle vermischt, weit zurückliegende oder gar Generationen zurückliegende Geschichten wieder hervorgeholt.


Das Motto der diesjährigen Bettags-Aktion ist «HERZwärts». Auch Sie als Mediator versuchen, verhärtete Fronten wieder zu erweichen. Wie gehen Sie dabei vor?

Zuerst einmal möchte ich anmerken, dass ich das Thema «HERZwärts» sehr passend finde, da es das Verbindende statt Trennende unter uns Menschen betont. Es spricht mich aber auch insofern an, als es die Grundbewegung der Mediation treffend beschreibt. Denn was ich bei meiner Arbeit oft erlebe, ist Folgendes: Befindet sich eine Person in einem Konflikt, liegt deren ganze Energie beim Gegenüber, dem Ärger, der Wut und Forderung was das Gegenüber tun sollte.

Die Hauptbewegung, die wir in der Mediation versuchen zu erreichen, ist jene zurück zu sich selbst. Die Frage lautet dann: Was brauche ich? Worum geht es mir wirklich? Wir bestärken die Beteiligten darin, das eigene Herz zu befragen, um mehr Klarheit über sich selbst zu bekommen, um dann – in einem weiteren Schritt – auch das Ohr zu öffnen für die Bedürfnisse, Gefühle und Absichten des Gegenübers.


Annehmen und Loslassen der Gefühle bilden die Basis für Lösungen.


Wir wollen den Klient*innen helfen zu akzeptieren, dass Konflikte und negative Gefühle Teil des Lebens sind. Diese Emotionen sollen Raum erhalten und ausgesprochen, dann aber auch wieder losgelassen werden. Wir schaffen Bewusstsein, dass andere unsere Gefühle nicht machen, sondern uns bekannte Muster aufklingen lassen. Annehmen und Loslassen der Gefühle bilden die Basis dafür, dass Lösungen erarbeitet werden können, die den Anliegen beider Parteien entgegenkommen.


Dieser Prozess, der ein Aufeinander-Zugehen ermöglicht, ist ein Teil der Mediation. Sie bieten damit für die Klient*innen aber auch einen Schutzraum.

Ja, wir Mediator*innen sind verantwortlich, dass in unserer Beratung keine zusätzlichen Verletzungen passieren. In einem ruhigen, geschützten Setting bieten wir die Möglichkeit, Missverständnisse zu klären sowie Emotionen und Sachthemen zu sortieren und getrennt voneinander anzugehen.

Wann ist eine Mediation in Ihrem Verständnis «erfolgreich»?

Die Frage, wann gemeinsames Schaffen gelungen ist – die Mediation ist letztlich eine Koproduktion von Mediator*in und Klienten – lässt sich so einfach nicht beantworten: Wenn ich wahrnehme, dass die Stimmung am Ende der Mediation weniger gehässig ist, haben wir bereits etwas erreicht. Vielleicht konnte man ein Problem tatsächlich nicht lösen – aber durch die Mediation tragen die Menschen weniger schwer an ihren Emotionen.

Auf einer weiteren Stufe mag es gelingen, gemeinsam eine Einigung zu erzielen, auch wenn die Geschichte noch nachklingt. Der beste mögliche Ausgang der Mediation ist natürlich die Versöhnung: Die Konfliktparteien finden nicht nur einen gemeinsamen Weg, sondern können sich – in einem tiefen Sinne – verzeihen und die Angelegenheit hinter sich lassen. Einen solchen Ausgang strebe ich selbstverständlich an, gelingen kann es aber nicht immer.


Es gibt Fälle, bei denen die Konfliktparteien keinen gemeinsamen Weg finden. Wie unterstützen Sie betroffene Personen, die unter dieser Situation leiden?

Grundsätzlich kommt das selten vor. Jene Leute, welche eine Mediation aufsuchen, kommen mit einer hohen Erwartungshaltung, aber auch mit einer grossen Motivation und Bereitschaft. In den meisten Fällen kommt es dann auch tatsächlich zu Lösungen. In anderen Fällen gibt es zumindest Teillösungen; eine Art Zwischenboden, auf den man zu einem späteren Zeitpunkt zurückkommen kann. Wann immer die Mediation nicht wie erhofft verläuft, möchte ich die Menschen ermutigen, herzwärts zu gehen: Vielleicht können sie über einen anderen Weg spüren, was sie möchten, wie es ihnen wirklich geht und wie es ihnen gelingen kann, wieder mit sich und anderen in Kontakt zu kommen. Die Klient*innen sollen erkennen: Was im Rahmen der Mediation passieren konnte, ist passiert – was weiter geschieht, bleibt offen. Dies anzunehmen ist manchmal auch das, was zu jenem Stück Frieden führt, der ermöglicht, dass man weitergehen kann.


Zur Person
Thomas Flucher arbeitet seit 22 Jahren als Mediator, Coach und Supervisor. Der dipl. Kulturingenieur ETH leitet den Studiengang CAS Mediation und Konfliktlösungskompetenz an der Uni Fribourg und ist Mitgründer der komet-beratung in Sempach-Station (www.komet-beratung.ch).


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