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Wer bin ich heute?

tm 08.02.2024

Täglich kleiden wir uns nicht nur in Stoff, sondern auch in Ideen und Assoziationen. Dazu setzt die Fasnacht einen Gegenpol.


Während der Fasnacht kann jeder und jede sich ein fantasievolles Kostüm aussuchen und als verrückteste Idee unterwegs sein: als Disneyfigur, als Banker*in, als herziges oder gefährliches Tier, als Parkbank oder Blumenstrauss. Alles ist möglich und mit jedem Kostüm fühlt man sich als Träger*in gleich ein bisschen anders. Natürlich wissen wir alle, dass Kleidung uns nicht nur an der Fasnacht beeinflusst. Jeder und jede hat schon am eigenen Leib erfahren, dass man sich in formeller oder schicker Kleidung anders fühlt und gibt als in Arbeitshosen, T-Shirt und Boots.


Uns und andere sehen

Doch damit nicht genug. In verschiedenen Studien konnte gezeigt werden, dass die getragene Kleidung auch einen Einfluss auf unsere Leistung hat. Dafür führten Hajo Adam und Adam Galinsky verschiedene Studien durch, bei denen einige Probanden für die Bewältigung einer kognitiven Aufgabe einen Arztkittel tragen sollten. Es stellte sich heraus, dass die Studienteilnehmenden mit Arztkittel besser abschnitten als die ohne. Die Forscher vermuten, dass die Assoziationen, die ein Arztkittel auslöst, auch die Wahrnehmung und das Handeln der Träger*innen beeinflusst.

Wie wir von anderen wahrgenommen werden, ist ebenen falls mit der getragenen Kleidung verknüpft. So hat ein Forscherteam in Princeton herausgefunden, dass wir Menschen, die reicher wirken, als kompetenter wahrnehmen. Dafür haben sie speziell manipulierte Porträtbilder erstellt. Das heisst, ein und dasselbe Gesicht wurde auf Oberkörper, die von einer Jury als «reicher» oder «ärmer» bewertet wurden, montiert. Die Frage an die Versuchsteilnehmer*innen war: Für wie fähig halten sie diese Person? 80 Prozent der Probanden stuften das manipulierte Gesicht mit der «reicher» wirkenden Kleidung als fähiger ein. Auch dann, wenn sie gebeten wurden, nicht auf die Kleidung zu achten.


Kleidung und die Vorurteile

Kleidung hat also immer eine Wirkung auf uns. Sowohl bei dem, was wir uns als auch, was wir anderen zuschreiben. Das gilt auch für Kleidungsstücke, die im Zusammenhang mit einer Religion stehen. So berichten Menschen, die sichtbar ein Zeichen ihrer Religion tragen, dass sie mit unterschiedlichsten Vorurteilen konfrontiert sind. So berichtet die zum Beispiel die muslimische Wissenschaftlerin Kawthar El Qasem, dass sie als erstes als Frau mit dem Kopftuch wahrgenommen wird. Wobei sich die Diskussion verändert hat, aus der «unterdrückten Frau mit dem Kopftuch ist die militante Frau, die bedrohliche Frau geworden, die politisch motivierte Frau, in der Debatte, nicht in Wirklichkeit», sagt Kawthar El Qasem. Und auch katholische Ordensangehörige im Habit passiert es, dass sie auf der Strasse unangenehm angesprochen werden.


Raus aus der Schublade

Im Alltag sind wir stets mit diesen Vorstellungen und Befangenheiten unterwegs. Manchmal scheint es, als gäbe es für alles und jeden eine Schublade. Doch während der Fasnacht kann man etwas ausserhalb aller Normen tragen. Man kann bewusst mit diesen Zuschreibungen spielen oder auch eine Rolle wählen, für die kaum Zuschreibungen existieren. Vielleicht ist die Fasnacht eine Zeit, in der sich ein Leben fernab von Vorurteilen üben lässt.


Ein Gottesdienst fern vom Üblichen findet am Sonntag, 11. Februar, 10.30 Uhr in der Pfarrkirche statt. Feiern Sie mit der Zunft, der Guggenmusik und uns von der Pfarrei die Narrenmesse. 


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