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Was sich offline entdecken lässt

Rebekka Felder 17.06.2024

Wie fühlt es sich an, ohne Smartphone zu verreisen? Ein persönlicher Bericht zum Offlinesein.

Nicht nur ein Unterbruch des Alltags, sondern auch der Routinen sollte er werden, mein Urlaub diesen Frühling. Allen voran jener Gewohnheit, für alle möglichen Anliegen zuerst zum Smartphone zu greifen. Meine Reise in die ungarische Hauptstadt sollte deshalb zur kurzen, aber konsequenten digitalen Auszeit werden: Eine Zeit ohne Smartphone, frei von Apps und Podcasts, von Mails und Nachrichten, von Anrufen und Pushmeldungen und all dem, wofür sich das kleine Gerät alles zücken lässt.

Das stumme Smartphone, sonst der Besserwisser, liess uns diskutieren.


Skeptischen Fragen musste ich mich stellen, als ich meinem Umfeld mitteilte, während meines Auslandaufenthalts nicht erreichbar zu sein. Ja, die Zeit für meinen digitalen Sabbat war bewusst gewählt. Was mich dazu motivierte war weniger das Gefühl, mich von diesem Alleskönner losmachen zu müssen. Vielmehr war es der Wunsch, mich wieder einmal richtig und ohne Ablenkung auf etwas einzulassen. In diesem Fall: Auf meine unverplanten Tage, die fremde Stadt, die Menschen und das, was mir vor Ort begegnet sowie nicht zuletzt auch auf die Menschen, die mich auf der Reise begleiteten. Und gerade abseits des Alltags in den Ferien, so erhoffte ich mir, sollten sich die (Neben-)Effekte des Offlineseins noch einmal deutlicher zeigen.

Entdecken, fragen, verknüpfen

Erwartungen, die sich erfüllten: Meine geduldige Reisebegleitung stieg auf mein Offline-Experiment ein – zumindest ansatzweise. Statt uns von Google Maps oder TripAdvisor durch die Stadt navigieren zu lassen, liessen wir uns (wenn überhaupt) mit Strassenkarten durch Buda und Pest treiben. Wir entdecken Cafés, Parks, Denkmäler und Ausstellungen, die klassische touristische Ansprüche nicht erfüllten, unsere Aufmerksamkeit aber durch ihre ausgefallenen, schrulligen und liebenswerten Eigenheiten auf sich zogen. Statt uns die Speisekarte von Google Lens übersetzen zu lassen, erkundigten wir uns beim Personal, oftmals Studenten oder Zugezogene aus dem Landesinnern, und erhielten so mehr Einblicke in die ungarische Küche, Gewohnheiten der Einheimischen und die politische Situation, als uns die Rubrik «Kulinarisches» oder «so tickt Budapest» auf Reiseblogs je verraten hätten.

Der Wunsch, sich richtig und ohne Ablenkung auf etwas einzulassen.


Allgemein – und das schätzte ich besonders – liess uns das stumme Smartphone, sonst der Besserwisser, mehr diskutieren. Statt die offene Frage mit der alles entscheidenden Internetabfrage endgültig zu beantworten, rätselten und werweissten wir Nachmittage lang über Besonderheiten, die uns bei unseren Spaziergängen durch die Stadt ins Auge fielen. Wir suchten nach Erklärungen, versuchten Dinge miteinander zu verknüpfen und Zusammenhänge herzustellen – wohl wissend, dass es vermutlich ganz anders war.


Offlinesein fordert heraus

Die Zeit offline zeigte mir: Löst man sich von den smarten Dingern – wenn auch nur für wenige Tage – wirkt sich das nicht wenig auf unser Verhalten und Umgang miteinander aus. Man wird aufgefordert, Entscheidungen vorab und nicht erst in letzter Minute mit Blick auf die Meteoapp zu treffen. Herausgefordert, sich festzulegen und sich an Vereinbarungen zu halten. Etwaige Nachrichten, man komme etwas später, fallen weg. Vom Auffrischen basaler Kompetenzen wie Kartenlesen oder dem Lesen unübersichtlicher ÖV-Fahrpläne ganz zu schweigen. Die Offlinezeit lehrte mich aber auch, auf die Situation – was immer sie mit sich bringt – einzugehen und sich auf die Menschen, die vor einem stehen, einzulassen. Und so plakativ es klingen mag: Nicht zuletzt überzeugte sie mich einmal mehr davon (auf Reisen besonders wichtig) – die Augenblicke nicht mit der Fotoapp, sondern im Herzen festzuhalten.

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