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Pastoralraum ein ungeschliffener Diamant

Tanja Metz 30.04.2024

Livia Wey ist seit vier Monaten im Pastoralraumleiterin. Über diese erste Zeit spricht sie mit dem Pfarreiblatt.


Am 1. Januar wurde Livia Wey mit einem festlichen Gottesdienst als Pfarrei- und Pastoralraumleiterin eingesetzt. Seither sind beinahe vier Monate vergangen. Sie hat also bereits Fasnacht mit uns erlebt, die Fastenzeit, Ostern und die Erstkommunion im Pastoralraum mitgefeiert. Wen wundert es da, dass Sie selbst sagt: «Das Wort Fülle, beschreibt die ersten Monate hier am besten. Ein Füllhorn an Aufgaben, Begegnungen und Neuem.»


Begegnungen sind wertvoll

Zu dieser Fülle gehören auch die vielen Menschen, die Livia Wey seit ihrem Start in Sursee begegnet sind. «Die offene Aufnahme, die Freude und Herzlichkeit und ein grosses Vorschuss-Vertrauen sind wunderbar. Begegnungen mit Menschen, die mir signalisieren, dass es schön ist, dass ich diese Aufgabe übernommen habe und sie dies zu schätzen wissen, sind eine wirkliche Freude», betont Livia Wey. So wunderbar diese Fülle an Begegnungen für sie ist, so schwer fällt es ihr, sich all die Namen und Gesichter zu merken. «Ich habe ein totales Namenschaos. An die Gespräche, die ich mit den Menschen geführt habe, kann ich mich meist gut erinnern. Doch die Namen sind weg. Das tut mir sehr leid und ich muss häufig nachfragen. Da hoffe und bitte ich um Geduld, denn die Begegnungen mit Menschen machen meine Arbeit wertvoll. In den Momenten der direkten Begegnung fällt es mir auch leicht das Motto meines Einsetzungsgottesdienstes ‹Fröhlich sein, Gutes tun und die Spatzen pfeifen lassen›, zu leben», erklärt Livia Wey.


Meine Hoffnung ist, dass sichtbar wird, dass es Veränderungen braucht und diese zu einer heilsamen Kraft werden.»


Ein Diamant braucht einen Schliff

«Tatsächlich besteht mein Alltag im Moment aber aus sehr vielen strukturellen und organisatorischen Fragen, die schwerer mit dem Motto zu verknüpfen sind», sinniert Livia Wey. Aber auch das gehört zur Fülle, die ihre Anfangszeit hier prägten. Da ist zum einen die Strategie 2030, an der der Kirchgemeindeverband arbeitet. Parallel beschäftigt sich das Pastoralraumteam unter ihrer Leitung mit der Organisationsentwicklung auf der pastoralen Ebene. Und das sind nur die beiden grössten strukturellen Prozesse, die derzeit im Pastoralraum laufen. Fragt man sie nach einem Satz, der den Pastoralraum für sie am besten beschreibt, sagt sie: «Wir leben momentan mit einem ziemlich ungeschliffenen Diamanten, der durch Schleifen noch etwas Material verlieren darf, damit seine Schönheit und der Glanz sichtbar werden.» Abschleifen klingt zum einen anstrengend und zum anderen, als würde sich das eine oder andere ändern. Dazu meint Livia Wey: «So wie es derzeit ist, muss ich als Pastoralraumleiterin immer wieder Menschen enttäuschen, da die Strukturen nichts Anderes zulassen. Ich kann zum Beispiel nicht überall dabei sein. Manchmal möchte ich den Menschen dann zurufen: Achtung Denkfehler! Das, was uns als Pfarreien ausmacht, ist das, was jede und jeder einzelne mitbringt und wofür er oder sie Verantwortung übernimmt. Ob als angestellte oder freiwillige Person, als gläubige oder zweifelnde Person. Ich bin eine Stimme. Die muss nicht alles übertönen. Ich fühle Verantwortung darin, zu koordinieren, Verschiedenem Raum zu geben und mit anderen weiterzudenken. Ich kann und will nicht alles selbst tragen. Das wäre auch nicht biblisch. Meine Hoffnung ist, dass sichtbar wird, dass es Veränderungen braucht und diese zu einer heilsamen Kraft werden.»


Lebendiger Boden

In den Tagen des Gesprächs mit Livia Wey feiern wir den Schutzpatron der Pfarrei und Stadt Sursee. Dieser hat die Kraft der Veränderung zumindest der Legende nach besessen. Es wird erzählt, dass der heilige Georg den Drachen, unter dem die Bevölkerung Kappadokiens litt, besiegte. So liegt die Frage nahe, welche Drachen es im übertragenen Sinn denn hier zu besiegen gilt, damit gute Veränderungen stattfindet. «Ich glaube es ist kein bissiger Drache, der besiegt werden muss. Es sind eher Allgemeinplätze, die uns plagen: Da ist die Angst vor Veränderung. Das Festhalten an dem, was ist. Angst haben, etwas zu verlieren, wenn grösser gedacht wird. Anderen den guten Willen und Glauben abzusprechen, wenn sie nicht die gleiche Position vertreten, wie man selbst. Der Dünkel, der einen angeblich besser macht. Allerdings bedeutet Georg übersetzt Bauer oder ‹Erd(be)arbeiter›. Vielleicht geht es heute im Pastoralraum viel mehr um Georg den ‹Erd(be)arbeiter› als um den Drachentöter». Die Arbeit eines Bauern oder einer Bäuerin ist geprägt von säen, pflegen, warten und wenn alles gut geht, wird er oder sie mit einer reichen Ernte belohnt. Es geht um das Gefühl für die Natur und in gewisser Weise auch um gelassenes Vertrauen ins Wachsen und Gedeihen. Livia Wey ist davon überzeugt, dass wir zu wenig an das Werden glauben und der Glaube häufig zu starr gedacht wird. «So kann er nicht der lebendige Boden sein, den er sein könnte. Ich bin sicher, dass Veränderungen werden. Doch sie brauchen Energie, Zeit und Gelassenheit – und es braucht uns alle.» Der Spruch des Einsetzungsgottesdienstes «Fröhlich sein, Gutes tun und die Spatzen pfeifen lassen», könnte auch als Indikator für unseren lebendigen Glauben und unsere Fröhlichkeit dienen. «Denn diesen Spruch würde ich gerne ausgeprägter leben», so Livia Wey.


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