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«Man muss aktiv Kontakte knüpfen, wenn die Kinder älter werden»

Interview: Rebekka Dahinden 18.06.2025

Sozialkontakte sind wichtig für ein erfülltes Leben – das gaben viele Befragte bei unserer Umfrage an. Marta Peter aus Mauensee bestätigt die Bedeutung von Beziehungen aus ihrem eigenen Leben.

«Wenn Kontakt fehlt, fehlt etwas Wesentliches» – das sagt Marta Peter, die vor über 30 Jahren mit ihrer Familie nach Mauensee zog und dort ihr Umfeld neu aufbauen musste. Heute, mit 79 Jahren, erzählt sie, wie soziale Beziehungen, Freiheit im Familienleben und gesellschaftliches Engagement ihr Leben bereichern.

 

Frau Peter, vor 34 Jahren sind Sie mit Ihrer Familie vom Fribourgischen nach Mauensee gezogen. Ein Umzug in ein Dorf, wo Sie niemanden kannten. Wie kam es dazu?
1991 sind wir von Bösingen nach Mauensee gezogen, nachdem mein Mann eine neue Stelle als Leiter des Ausbildungszentrums SRK in Nottwil antrat. Unsere beiden Töchter entschieden sich, mitzukommen und integrierten sich schnell. Für mich als Mutter, die zunächst zuhause blieb, war das eine Herausforderung. Obwohl wir einige Bekannte in der Region hatten – mein Mann stammt aus Grosswangen – war ich viel allein.
Das ist etwas, was viele Frauen betrifft: Man muss aktiv soziale Kontakte knüpfen, besonders wenn die Kinder älter werden und sich die Begegnungen nicht mehr durch die Kinder ergeben. Mit der Zeit gelang mir das besser, als ich die Vermittlung von Tageseltern übernahm und so in Kontakt mit Leuten aus der Region, vor allem Frauen, kam.

 

Wie haben Sie sich gefühlt, als alles erst einmal fremd war?
Am Anfang, wenn ich einkaufen ging, kannte mich niemand – das war schon ein spezielles Gefühl. In Fribourg hatte ich viele Freunde und Bekannte – das fehlte mir hier sehr. Ich bin eigentlich kontaktfreudig, aber mit 45 ist es nicht leicht, noch neue Freundschaften zu schliessen, vor allem, wenn andere Frauen in meinem Alter schon feste Freundeskreise haben. Und in einem gewissen Alter geht man eben nicht mehr spontan auf Menschen zu; – ich persönlich hatte Hemmungen, Leute anzusprechen. Das machte mich schon nachdenklich. Aber wenn Kontakt fehlt, fehlt etwas Wesentliches. Mein Mann hatte beruflich ständig Kontakt zu anderen, ich dagegen musste mich erst zurechtfinden. Rückblickend denke ich, dass ich dem Umzug nur zugestimmt hatte, weil ich eine starke Familie habe. Wir haben uns gegenseitig unterstützt. Ich denke noch heute oft an diese Zeit zurück.

 

Die Bedeutung von Freundschaften und sozialem Eingebundensein – war Ihnen das auch schon vor dem Umzug bewusst?
Ja. Schon als junge Frau und Mutter war mir der Zusammenhalt im Dorf wichtig. Wir Frauen verstanden uns gut und unternahmen regelmässig gemeinsame Wochenendtrips, während unsere Männer sich um die Kinder kümmerten. Diese Freiheit und Möglichkeit, einfach mal unter Frauen zu sein, habe ich sehr geschätzt. Der Austausch unter Frauen ist anders – offener und emotionaler – als wenn Männer dabei sind. Frauen sprechen eher über ihre Probleme, sind empfänglich für die Gedanken anderer und nehmen einfühlsam Anteil am Leben.

 

Der Kontakt mit Menschen scheint in Ihrem Leben eine wichtige Konstante zu sein.
Ich bin bereits in einem lebendigen Umfeld mit vielen Menschen in Zürich aufgewachsen. Meine Eltern führten ein Geschäft und wir hatten ständig Mitarbeitende, die bei uns wohnten und mit uns am Familientisch assen. Ich verbringe gern Zeit mit anderen, gleichzeitig schätze ich es auch, für mich zu sein – Langeweile kenne ich nicht. Aber es ist schon so: Kontakt mit Menschen tut gut und ist wichtig für die geistige Gesundheit.

 

«In einem gewissen Alter geht man nicht mehr spontan auf Menschen zu»


 

Sie sind als Katholikin im reformierten Zürich aufgewachsen. Welche Bedeutung hatte der Glaube für Sie im Laufe Ihres Lebens?
Ich bin mit dem katholischen Glauben aufgewachsen, der mir auf eine stille, unbewusste Weise Halt gibt. Auch wenn ich ein kritisches Kirchenmitglied bin – der Umgang mit Frauen, aber auch die Missbräuche beschäftigen mich – könnte ich mir den Kirchenaustritt nie vorstellen. Der Glaube gehört zu mir. 
Mich stärker in die Kirche eingebracht habe ich mich zwar nie, dafür war ich sozial engagiert. In Fribourg habe ich vietnamesische Familien betreut, Deutschunterricht gegeben und andere Familien unterstützt. Gemeinsam mit einer Gruppe Frauen haben wir uns immer mit viel Freude und Herz für andere Menschen eingesetzt.

 

Sie haben vier Enkelkinder. Was geben Sie ihnen für ihr Leben mit?
Ich habe meine Enkel oft und auch gern betreut. Es ist mir wichtig, dass meine Enkel ehrlich sind und ihre Gefühle offen zeigen können. Ich möchte ihnen mitgeben, dass wir nicht gleichgültig sein dürfen. Wir müssen unsere Mitmenschen ernst nehmen und tolerant sein. Nicht zu richten, aber all das auf subtile Weise zu vermitteln und vor allem vorzuleben, ist mir ein Anliegen.
 

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