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Eine Nummer rettet Leben

Sylvia Stam 11.11.2024

Oft geraten Menschen, die nach Europa flüchten, auf dem Mittelmeer in Seenot. Ein Nottelefon versucht, in solchen Fällen Hilfe zu bieten. Und das seit zehn Jahren.

«Wir bleiben mit euch in Kontakt», sagt eine Stimme im Video. Es ist auf der Website des Alarmphones aufgeschaltet und richtet sich an Menschen, die in einem Boot von Nordafrika oder aus der Türkei nach Europa gelangen möchten. Falls sie in Seenot geraten, sollen sie die Küstenwache alarmieren und dann die folgende Nummer wählen: +334 86 51 71 61.


Genaue GPS-Position

«Die Anrufe kommen via Satellitentelefon oft vom Boot direkt auf unsere Notfallnummer», erklärt Kimbal Siegrist auf Anfrage. Er ist einer von gut 200 Freiwilligen aus Europa und Afrika und gehört dem Team von Alarmphone Schweiz an. «Wir versuchen zuerst die Situation zu erfassen: Wie viele Menschen sind im Boot? Wo sind sie losgefahren? Wie ist die aktuelle Situation an Bord? Oft ist der erste Anruf sehr hektisch und wir versuchen die Personen am Telefon so zu beruhigen, dass wir die benötigten Informationen erhalten.»

Am wichtigsten seien genaue Informationen dazu, wo sich das Boot gerade befindet, also die GPS-Position. «Diese Informationen leiten wir weiter an die entsprechende Küstenwache und allenfalls auch an NGOs, die aktive Boote in der Region haben. In der Folge halten wir den Kontakt zu den Menschen im Boot und leiten Positionsänderungen direkt weiter», so Siegrist. Manchmal breche der Kontakt ab. Im Idealfall, weil das Boot gerettet wurde. Doch manchmal würden die Boote von der libyschen Küstenwache abgefangen und zurück nach Libyen gebracht, oder aber die Menschen erlitten Schiffbruch.


Ziviles Netzwerk

Das Alarmphone ist Teil eines Netzwerks von zivilgesellschaftlichen Akteur:innen, der «Civil Fleet» (zivile Flotte). Diese besteht laut Siegrist aus über einem Dutzend Booten und bis zu drei Aufklärungsflugzeugen. «Dank dieser Präsenz konnten Hunderte Boote und damit Tausende Menschenleben gerettet werden.» Oft weigerten sich die staatlichen Küstenwachen allerdings, Rettungsmissionen zu lancieren, «obschon sie dazu verpflichtet wären». In diesen Extremsituationen «versuchen wir als Dokumentationsnetzwerk zu agieren, indem wir den Verunglückten einen Namen, ein Gesicht und eine Geschichte geben, sodass sie nicht als Zahl in der Statistik verschwinden», sagt Kimbal Siegrist.


8000 Anrufe in zehn Jahren

Das Alarmphone war eine Reaktion auf ein Schiffsunglück vor Lampedusa im Oktober 2013. Ein Jahr später startete das Nottelefon, um gegen das Sterben auf See aktiv zu werden. Heute sind über 200 Freiwillige in Europa, Nord- und Westafrika rund um die Uhr in Einsatz, gut 20 davon in der Schweiz.

Foto: Adobe Stock

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