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Abstand zu gewinnen im Sonnenhügel

tm 23.04.2025

Der Co-Leiter Lukas Fries-Schmid vom Sonnenhügel – dem Haus der Gastfreundschaft ist am Patrozinium zu Gast in Sursee und erzählt hier vom Leben im Sonnenhügel.

Wenn Sie die Idee des Vereins Sonnenhügel mit drei Worten beschreiben müssten. Welche wären das?

Das ist eine Herausforderung. Ich würde sagen: Ehrenamt, auf Augenhöhe und Ohnmacht aushalten.

 

Diese Begriffe machen neugierig. Worum geht es im Sonnenhügel genau?

Wir sind eine Gemeinschaft, die im ehemaligen Kapuzinerkloster in Schüpfheim lebt. Hier nehmen wir Menschen als Gäste auf, die für eine bestimmte Zeit – von einer Woche bis zu einem halben Jahr – mit uns zusammenleben.

Viele unserer Gäste befinden sich in einer psychischen oder sozialen Notsituation. Sie suchen eine geregelte Tagesstruktur, die ihnen Halt gibt, weil sie sich diese im Moment nicht selber geben können. Für sie geht es oft um eine akute Krisenintervention. Daneben gibt es auch Gäste, die sich eine bewusste Auszeit wünschen – etwa während ihrer Ferien.

 

Wie gestaltet sich der Alltag im Haus Sonnenhügel?

Unser Tagesablauf ist für alle ähnlich strukturiert. Der Vormittag steht im Zeichen der Gemeinschaft: Wir bewirtschaften einen großen Haushalt und Garten, erledigen gemeinsam Aufgaben wie Kochen, Einkaufen und Gärtnern.

Die Nachmittage sind den Gästen zur freien Verfügung gestellt – für Stille, Rückzug oder externe Termine. Dazwischen gibt es gemeinsame Mahlzeiten. Am Morgen und am Abend findet eine Gebetszeit statt, an der die Gäste freiwillig teilnehmen können. Für uns als Kerngemeinschaft ist diese spirituelle Praxis ein zentraler Bestandteil unseres Zusammenlebens. Sie verbindet uns und gibt unserem Alltag einen tieferen Rahmen.

 

Wie kam es zum Verein Sonnenhügel?

Ich selbst war damals noch nicht dabei, aber die Grundidee war von Anfang an klar: Es sollte ein Ort entstehen, an dem Menschen Abstand zu ihrem Alltag gewinnen können – ohne den Rahmen einer Klinik, sondern in einem familiären, alltagsnahen und niederschwelligen Umfeld.

Dazu kam die klösterliche Inspiration: Wenn Menschen sich zusammentun und Gemeinschaft gestalten, entsteht Raum für andere – besonders für diejenigen, die darauf angewiesen sind. Klöster haben über Jahrhunderte hinweg genau das getan. Sie boten nicht nur spirituelle Heimat, sondern auch Schutz und Arbeit für Menschen, die heute in geschützten Arbeitsplätzen tätig wären. Doch je kleiner die klösterlichen Gemeinschaften werden, desto weniger können sie solche Aufgaben übernehmen. Für uns ist dies jedoch ein zentrales Anliegen: Wir gestalten Gemeinschaft so, dass Mensch einen Platz darin finden können.

 

Sie leiten gemeinsam mit ihrer Frau seit 2009 den Sonnehügel. Sie haben viele Gäste kommen und gehen sehen. Was ist Ihnen im Lauf der Zeit wichtig geworden?

Ganz spontan würde ich sagen: die Erkenntnis, dass es wirklich jede erdenkliche Lebenssituation gibt. Auch wenn sich bestimmte Themen immer wieder zeigen, ist jede einzelne Geschichte einzigartig. Das mag wie eine Binsenweisheit klingen, aber genau diese Erfahrung machen wir hier täglich. Mein Horizont hat sich dadurch enorm geweitet – es ist beeindruckend, was menschliches Leben alles beinhalten kann. Das macht das Leben im Sonnenhügel vielfältig – und mich selber demütig.

Ein zweiter Punkt, der mir immer wichtiger wird: Keine Antworten zu haben. Unsere Gäste dürfen einfach so kommen, wie sie sind – ohne Druck, etwas verändern zu müssen. Wir bestärken uns gegenseitig, auch schwierige Situationen auszuhalten, soweit wir sie nicht verändern können. Nicht im Sinne von „die Hände in den Schoss legen“, sondern im Vertrauen darauf, dass wir in der Ohnmacht nicht alleine sind. Die Erfahrung zeigt: Wenn nichts geändert werden muss, kann Veränderung geschehen.

 

Wie kommt diese Haltung bei Ihren Gästen an?

Für viele ist sie sehr passend. Oft hören wir von unseren Gästen: «Ich brauche einfach einen Ort zum Durchatmen.» Im Tiefsten steckt hinter diesem Bedürfnis die Sehnsucht, bedingungslos geliebt zu sein. Das ist die Sehnsucht nach Gott.

 

Sie sind als Gast beim Patrozinium in Sursee. Der Patron der Pfarrei ist der Heilige Georg – der Drachentöter, der die Prinzessin rettete. Welche «Drachen» werden im Sonnenhügel besiegt?

Mit dem Bild des Drachentöters habe ich persönlich wenig Erfahrung. Ich habe mir diese Frage aber in Bezug auf das Patrozinium schon gestellt.

In der Begleitung unserer Gäste arbeite ich eher mit dem Bild der «Dämonen». Bildlich gesprochen geht es im ersten Schritt darum, diese inneren Dämonen – Ablenkungen, Ängste … – wahrzunehmen und zu benennen. Vielleicht so wie der Heilige Georg den Drachen nicht sofort getötet, sondern ihn zuerst in die Stadt, mitten unter die Menschen geführt hatte. Erst dann kann man Distanz schaffen, etwas Belastendes «stehen lassen» und sich nach und nach von ihm lösen. 

Ich bin selbst gespannt, noch mehr über das Leben des heiligen Georg zu lesen – vielleicht entdecke ich ja doch eine Parallele zu unserem Ansatz.

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