«Die Orgel hat den Wow-Effekt»
Rebekka Felder 26.08.2024
Der Surseer Organist Andreas Wüest über die Faszination des Orgelspiels.
Andreas, du spielst zu verschiedensten Anlässen die Orgel. Welche Musik hören Menschen in der Kirche besonders gerne?
Es kommt ganz auf den Anlass und das Publikum an: Manchmal kommt die traditionelle Orgelmusik gut an, manchmal punktet die Volksmusik oder Modernes. Ob die Musik gefällt oder nicht, hängt vielmehr davon ab, ob die Leute einen Zugang zu ihr finden. Die Orgel hat nämlich die Tendenz, kompliziert zu sein. Wenn die Zuhörenden aber die Musik verstehen, erdet sie das und sie können so richtig in die Musik eintauchen.
Was lässt sich Eindrückliches mit der Orgel anstellen?
Da gibt es einiges! Sehr eindrücklich ist, wenn man alle Register auf einmal zieht – «tutti» nennen wir das. Ich persönlich finde auch die Extreme der Orgel beeindruckend: Wenn man alle tiefen Pfeifen gleichzeitig spielt, klingt und vibriert es, dass es körperlich spürbar wird. Oder auch die ganz hohen Töne – bei der höchsten Pfeife ist der Ton beinahe nicht mehr hörbar, da braucht es gute Ohren.
Etwas sehr Spezielles, das ich oft auch am Hohen Donnerstag mache, ist Folgendes: Ich schalte während des Stücks die Luftzufuhr der Orgel aus. Während die Luft langsam ausgeht, spiele ich weiter. Dabei wird der Ton zunehmend unheimlich, die Orgel beginnt in gewisser Weise zu «heulen».
Was hat die Orgel, was andere Instrumente nicht haben?
Nun sage ich etwas, was besonders Anfänger*innen freut: Man braucht kaum Spielkenntnisse, und es klingt schnell gut – die Orgel hat den Wow-Effekt. Man drückt eine Taste und es klingt nach etwas. Darüber hinaus verfügt die Orgel über eine riesige Klangvielfalt – jedes Register klingt anders, man kann sie laut und leise spielen. Die Interaktion von der Technik der Orgel mit unserem Spiel mit den Händen und Füssen ist faszinierend. Und vielleicht gehört auch ein klein bisschen Grössenwahn zum Orgelspiel – damit das Orgelspiel seine Wirkung entfalten kann, braucht es eine «richtige» Orgel in der Kirche – und diese gehört als Resonanzkörper zum Instrument dazu.
Aber da lässt sich noch mehr erwähnen. Die Orgel gilt als die Königin der Instrumente, sie ist wahnsinnig komplex. Schnell eine Pfeife stimmen geht nicht, da braucht es gleich einen Fachmann. Die meisten Instrumente sind schnell erklärt. Bei der Orgel aber braucht es einen Moment, um zu verstehen, was abgeht.
Und nicht zuletzt möchte ich erwähnen: Jede Orgel ist einzigartig. Sie unterscheiden sich in ihren Tasten, ihrem Resonanzraum, den Pfeifen, – all das hat Einfluss auf das Spiel und den Klang. Jedes Instrument ist anders, was für mich als Musiker bedeutet: Jede Orgel ist eine Entdeckungsreise.
Sie möchten das Orgelspiel lernen? Dann schauen Sie gerne hier.
Orgelmusik ist auch oft bei Konzerten von Klangraum Sursee zu hören.
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