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«Demokratie lebt vom Zuhören»

rf 05.10.2023

Ende September fand zum sechsten Mal der Abendspaziergang für Männer* statt. Ein Anlass, der zum Diskutieren anregte – und bei dem auch thematisch der Meinungsaustausch im Zentrum stand.

Die Impulse des Abends stammten nämlich aus dem Buch «Demokratie braucht Religion» des bekannten deutschen Soziologen und Politikwissenschaftlers Hartmut Rosa. Er beschreibt in seinem Werk, wie sich die Diskussionskultur unserer Gesellschaft in den vergangenen Jahren verhärtet hat: An die Stelle offener Dialoge, in denen auf die Argumente des Gegenübers eingegangen wird, seien zunehmend stark persönlich geprägte Dispute getreten. Die Diskussionen würden damit nicht mehr auf einen sachlichen Meinungsaustausch, sondern vielmehr auf die Diskreditierung des Gesprächspartners abzielen, meint Rosa. Für Demokratien, die auf tragfähigen Kompromissen basieren und auf eine funktionierende Diskussionskultur angewiesen sind, stelle diese Entwicklung ein grosses Problem dar.

Vor diesem Hintergrund zeigt der Wissenschaftler auf, welches Potenzial die Religion für demokratische Systeme birgt: Durch ihre Riten und Praktiken, bei denen ein aufmerksames, bewusstes Wahrnehmen eingeübt werden kann, helfe sie, die «Krise der Anrufbarkeit» (Rosa) zu überwinden. Damit trage die Religion dazu bei, dass die Menschen – statt sich zurückzuziehen und auf den eigenen Standpunkt zu beharren – weiterhin im Austausch bleiben, so der Soziologe.

Lesen Sie hierzu einige Stimmen aus der Gruppe des Männerspaziergangs:

«Die Kirche hat uns fundamentale Wahrheiten gebracht, die unser Rechts- und Demokratieverständnis in Europa geprägt haben. Wir sollen nicht über den Mitmenschen urteilen, aber das Gute finden und darauf bauen.»


«Berührt hat mich die Aussage von Hartmut Rosa: ‹Die realexistierende Institution Kirche hat dieses hörende Herz gegenüber ihren Mitgliedern weitgehend verloren.›»


«‹Demokratie braucht Religion› – ich bin nicht ganz überzeugt davon. Demokratie braucht Menschen, die offen sind für andere, die zuhören können und andere Meinungen gelten lassen. Religion sollte diese Offenheit, das Zuhören und das Sich-Berühren-Lassen fördern. Insofern ist sie gut für die Demokratie.»


«Demokratie lebt vom Zuhören. Ohne Zuhören ist Demokratie nicht möglich. Immer häufiger kommt es zu einem Meinungsaustausch, ohne dass man auf die Argumente des Anderen eingeht.»



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