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Alle Heiligen – alle Seelen

Niklaus Kuster 31.10.2024

Allerheiligen und Allerseelen – zwei Feste, die an die Vergänglichkeit unseres Lebens erinnern.

Im antiken Rom reihte sich Tempel an Tempel. Einige Gottheiten waren so bedeutsam, dass ihnen Wochentage gewidmet waren. Bis heute erinnern der Sonn- und der Montag an den Sonnengott und die Mondgöttin antiker Kulturen. In den romanischen Sprachen klingt der Kriegsgott Mars im martedí, Merkur im mercredi, der höchste Himmelsgott Jupiter im jeudi, die Liebesgöttin im venerdì an, und der Erntegott Saturn tut es im englischen Saturday. Damit keine Gottheit ohne Haus und Verehrung blieb, baute Rom im Marsfeld das Pantheon: für «alles Göttliche». Seine offene Kuppel lässt nachts die Sterne sehen, zahllos wie die Gottheiten.


Von Heiligen beschützt

Das katholische Fest Allerheiligen folgt einem ähnlichen Bedürfnis. Einige Heilige werden prominent verehrt und tausendfach dargestellt. Antonius von Padua etwa fehlt in kaum einer Kirche. Die Apostel, Märtyrerinnen der Antike, Kirchenlehrer, Ordensgründer, für die Lokalgeschichte wichtige Bischöfe blicken in Statuen oder aus Bildern auf das versammelte Kirchenvolk. Bauernheilige wie Wendelin stehen in Kapellen auf dem Land, und auch die Nothelfer erfreuten sich bis zur Generation unserer Grosseltern hoher Beliebtheit. Und die Heiligen, an die wir nur selten denken, wiewohl sie Grosses geleistet haben und der Erinnerung würdig sind? Das Fest Allerheiligen schafft auch ihnen Raum, kollektiv! Bisweilen wurden Klöster und exponierte Kapellen «Allerheiligen» geweiht. Der Urner Hauptort Altdorf war am Fuss der Eggberge akut steinschlaggefährdet, bevor moderne Schutznetze die Gefahr bannten. In der Falllinie der Felsbrocken über dem Dorf wurde eine Allerheiligenkapelle gebaut, auf dass alle Heiligen ihr Sorge tragen – und weil das offenbar nicht ausreichte, baute man 1581 auch das Kapuzinerkloster dahin!


Beten für die Verstorbenen

Feiert der 1. November alle Heiligen, Christinnen und Christen, die ihren Glauben vorbildlich gelebt haben und daher bereits in der ewigen Freude angekommen sind, gedenkt der 2. November all jenen, die nach mittelalterlicher Vorstellung noch ein Stück Weg nach dem Tod zurückzulegen haben. Wenn im grossen Fest Gottes, von dem Jesus in Gleichnissen sprach und zu dem nach biblischen Propheten Menschen aller Völker eingeladen sind, eine versöhnte Gemeinschaft zusammenfindet, braucht alles Unversöhnte und Unrecht, das dem Tun eines Menschen bei seinem Tod noch anhaftet, Zeit des Erkennens, der Vergebung und des Heilens. Meine Grossmutter hat drei Monate innig für ihren Gatten gebetet, bis sich das klare Gefühl einstellte, «dass er in der ewigen Freude angekommen ist». Sie glaubte nicht mehr ans Fegefeuer, doch ebenso wenig glaubte sie, dass Menschen «einfach so in die ewige Freude hineinspazieren». Daher das Gebet für die Seelen Verstorbener. Gelingt es Gott tatsächlich, jeden Menschen zu gewinnen, dann fehlt in jenem Fest niemand. Auch nicht jener Wladimir, der aktuell Tausende in den Tod schickt! Und so kann «Allerseelen» auch zum Gebet für Lebende ermutigen, mit denen ich heute nicht essend an einen Tisch sitzen würde ...


Der Kapuziner Niklaus Kuster ist 2024 Gastautor. Er schreibt aus der Sicht eines Ordensmannes und Theologen für das Pfarreiblatt Sursee.


P.S.: Der Heilige auf dem Bild, ist der Heilige Wendelin, der in der Chrüzlikapelle in Sursee so zu sehen ist. 

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